Hallo meine Leseverrückten,
erinnert ihr euch noch an das Interview, dass ich mit
Jessica V. Houven geführt habe. Sie fand es total spannend und ich es total interessant ihre Antworten zu lesen.
In einer spontanen Eingebung habe ich sie vor kurzem gefragt, ob sie nicht Lust hätte, einen Gastbeitrag bei mir zu schreiben.
Und sie hatte Lust.
Ich lasse sie zu Wort kommen und wünsche euch viel Spaß bei dem Thema, was sie sich ausgesucht hat.
Nach der
Ideenfindung von Nadja Losbohm, ist auch dieses Thema ein sehr interessanter Ansichtspunkt, worüber man endlich lange schreiben könnte.
Hallo ihr Lieben,
heute darf ich
euch mit meinem ersten Gastbeitrag beehren, nachdem mich die liebe
Melanie angesprochen hat, ob ich mir so einen Beitrag vorstellen
kann. Kann ich und nachdem wir schon so harmonisch bei dem Interview
zusammengearbeitet haben, geht es in die zweite Runde.
Wir
haben das Thema „Recherche-Arbeit zum Buch“ für euch ausgewählt
und ich möchte euch daran teilhaben lassen, wie dieser Prozess
zumindest bei mir aussieht. Jeder Autor geht anders an die Vorarbeit
zum Buch heran. Manche Autoren recherchieren jahrelang, andere haben
nur wenige Eckpunkte und legen einfach los. Jeder muss den Weg
finden, mit dem er am besten zum gewünschten Buchziel gelangt.
Bei mir fing es nur mit einem dünnen
roten Faden an, kaum Hintergrundrecherche. Der Rest ergab sich beim
Schreiben, fügte sich in die Geschichte mit ein. Ich war der
Ansicht, dass ich gar keine Geschichte schreiben könnte, wenn ich
vorher zu viel Eckdaten und Punkte setzen würde. Dass es den
kreativen Fluss zerstören würde, wenn ich zu strukturiert vorgehe.
Das war die erste Geschichte, die ich je komplett zu Papier gebracht,
aber auch nicht veröffentlich habe.
Bei „Mitnal – Das Reich der Toten“
hatte ich schon deutlich mehr Hintergrundinformationen zu Inkas,
Mayas und Azteken, denn ohne dieses Wissen wäre die Story gar nicht
möglich gewesen. Doch auch hier hinkte die Struktur noch, wie ich
aus heutiger Sicht ganz klar sagen muss.
Aber welchen Schluss
habe ich aus den ersten Geschichten, die in der Schublade liegen, und
dem ersten Buch als Selfpublisher gezogen? Wie gehe ich mittlerweile
an die Bücher heran, die ich schreiben möchte?
Ich setze mir einen gewissen Rahmen.
Wer schreibt, weiß, dass man nicht immer alles zu hundert Prozent im
Griff haben kann. Die Charaktere entwickeln ein Eigenleben, lassen
sich nicht in alle Formen pressen. Was ich aber tun kann und auch
muss, um die Logik stringent durch die Geschichte zu ziehen, ist, das
komplette Fundament zu erarbeiten. Es reicht nicht, diverse
Überlegungen während des Schreibprozesses mal eben so anzustellen.
Für die beiden Bücher rund um den Geheimbund Sword & Eagle
(„Das Gesetz der Eiche“ und „Die Blätter der Eiche“) habe
ich alle darin vorkommenden Geheimbünde durchstrukturiert. Wann
wurden sie gegründet? / Von wem? / Wie sieht das Wappen aus? / Was
bedeutet das Wappen? / Was ist ihr Ziel? / Wieso sollte man ihnen
beitreten? / Haben sie ein Aufnahmeritual, wenn ja, wie sieht das
aus? / Haben sie Regeln? / …
So gibt es eine feste Grundlage und
sogar die Begründung, weshalb dieses oder jenes so ist. Nicht alle
Informationen fließen in das Buch ein, aber es hilft ungemein, die
Szenen so zu schreiben, wie sie sein sollen. Eben weil man als Autor
dieses Fundament im Hinterkopf hat. Es sind die Säulen, auf denen
die Geschichte ruht. Im Grunde kann man ALLES schreiben, alles, wenn
man es nur in seiner Buchwelt logisch argumentiert. Wieso ist der
Himmel in meiner Welt lila? Weil… Und dann ist das okay, aber es
muss in sich stimmig sein.
Für das Buch zu recherchieren
bedeutet kein bisschen, sich selbst Ideen zu kürzen oder sich einen
zu engen Rahmen aufzubauen. Es macht die Welt und die Geschichte
rund.
Die beiden Geheimbund-Bücher spielen
in London. Nun hatte ich die Stadt vorher schon besucht, kannte ein
paar Orte, an denen das Buch spielen sollte, aber die meisten Ecken
hatte ich noch nie persönlich gesehen. Mir blieb nichts anderes
übrig, als diverse Recherchen anzustellen. In den Elizabeth Tower
(Big Ben) kommt man als Tourist nicht rein, also googelte ich
verschiedene Bilder zum Turm und klickte mich über zig Bilder des
inneren Aufbaus.
Das Somerset House in der Londoner Innenstadt,
das an das King’s College grenzt, konnte ich auch nur durch Bilder
und Informationen der Universität etwas nachvollziehbarer für mich
machen. Erst bei meinem nächsten Besuch in London, als die Story
schon veröffentlicht war, bin ich dorthin gegangen.
Eine Szene
spielt im Tower of London, in einem ganz bestimmten Turm. Und das war
mein absolutes Highlight! Ich hatte das Wandelement, um das es ging,
genau beschrieben und hatte (das war reiner Zufall) sogar eine
imaginäre Kamera in mein Buch eingebaut, die in echt an der Stelle
saß, die mir ungefähr vorgeschwebt hatte.
Als Fazit kann ich für mich ziehen,
dass ein gewisses Maß an Recherche notwendig ist. Kaum ein Leser
wird sich wohl die Mühe machen, die Fakten nachzuprüfen. Ist dort
wirklich eine Treppe? Muss ich drei Mal links abbiegen, um zu XY zu
gelangen? Als Leser möchte man in die Welt eintauchen und Spaß
haben. Spielt das Buch an einem realen Ort, sollte die Umgebung nicht
komplett umgedichtet werden. Dann kann man mit ein, zwei Elementen
helfen, das Bild vor dem inneren Auge herzustellen und Leser, die
z.B. schon in London waren, finden sich beim Lesen dort wieder.
Recherchen sollte man hingegen unbedingt machen, wenn das Buch
historische Tatsachen behandelt (z.B. im Mittelalter spielt oder eine
reale Schlacht beinhaltet) oder es um Völker geht, die es wirklich
gibt oder gab (Wikinger, Indianer, etc). Es gibt sicherlich noch ein
paar Punkte mehr, die man nicht außer Acht lassen sollte. Als Autor
sollte man das Hintergrundwissen haben, um die Geschichte authentisch
zu gestalten. Man muss aber nicht jedes kleine Ergebnis der Recherche
verwenden, explizit einbauen.
Die Recherche und deren Einbindung
in die Geschichte sollten nicht übertrieben sein und somit dem Leser
all seine Fantasie vorwegnehmen. Das gesunde Mittelmaß ist wohl
einmal mehr der richtige Weg.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen
Kommentare sind immer gerne gesehen, aber bitte angemessen. Sie müssen ausserdem von mir erst freigeschaltet werden, bevor sie sichtbar werden.
Mit der Abgabe eines Kommentars erklärst du dich mit der Speicherung und Verarbeitung der Daten gemäß des DSGVO einverstanden.
Ein Widerspruch gegen die Verarbeitung ist möglich.