Heute habe ich auch wieder eine kleine Geschichte für euch, die ich euch nicht vorenthalten möchte.
Ich habe mich wieder für den Newsletter vom Wreaders Verlag beworben und auch, wenn ich diesmal nicht gewonnen habe, möchte ich euch die Geschichte zeigen.
Oder vielleicht auch gerade deswegen.
Die Gewinnergeschichte ist übrigens megatoll geworden, ich liebe sie sehr. ♥️
Hier nun aber meine Geschichte und die dazugehörige Vorgabe.
Schreibe eine Geschichte deiner Wahl mit bis zu 1000 Wörtern über ein Herbstfest in einer kleinen Stadt. Treffen sich zwei alte Freunde wieder? Geschehen übernatürliche Dinge?
Gemächlich schlenderte Henriette über den Marktplatz ihrer Heimatstadt. Mit einer Hand stützte sie sich auf einem Gehstock ab, denn so langsam fiel ihr das Gehen wirklich schwer. Mit ihren 82 Jahren war sie nicht mehr die Jüngste und froh über jeden Meter, den sie zu Fuß gehen konnte.
Seitdem ihr Mann vor einigen Jahren gestorben war, ging sie kaum noch aus dem Haus, aber dieses Herbstfest, das an diesem Wochenende stattfinden sollte, hatte sie noch nie ausgelassen.
Es brachte so viele Erinnerungen mit sich und in jedem Jahr wuchs ein paar Tage vorher die Hoffnung, ihn dort zu treffen.
Gerald, ihre erste große Liebe. Schon in ihrer Jugendzeit hatten sie einander kennengelernt und doch wieder aus den Augen verloren.
Obwohl Henriette ihren verstorbenen Mann über alles geliebt hatte und er ihr zwei wunderbare Söhne geschenkt hatte, hatte sie Gerald auch nie vergessen können.
Auch nach all den Jahren nicht und mit jedem Herbstfest wuchs in ihr der Wunsch, ihn wiederzusehen. Und vielleicht ihre letzten Tage gemeinsam zu verbringen.
Ihre Augen huschten über den Platz hinweg, auf dem sich eine Bude an die nächste reihte. Spielzeug, Buden, in denen Ben etwas gewinnen oder selbstgemachte Dinge erwerben konnte. Es roch nach Pommes und Bratwurst, nach Bier und sogar nach gebrannten Mandeln.
Mit einem wehmütigen Lächeln blieb Henriette stehen. Erinnerungen an längst vergangene Tage überkamen sie. Tage, an denen sie mit Gerald glücklich gewesen war und es gab sogar Momente, in denen sie sich fragte, wie ihr Leben verlaufen wäre, wenn sie sich damals nicht aus den Augen verloren hätten.
Ein Seufzen verließ ihre Lippen, bevor sie sich wieder in Bewegung setzte und in Richtung Brunnen lief. Langsam und gemächlich und so, wie es ihr Bewegungsradius zuließ.
Auf einer Bank in der Nähe des Wahrzeichen des Marktplatzes konnte sie einen Mann in ihrem Alter erkennen. Mit beiden Händen auf einem Gehstock gestützt, saß er da und besah sich ein paar der Jugendlichen an einem Schießstand rechts von ihm.
Kurz zögerte sie, begab sich wenig später aber doch zur Bank. “Darf ich?”, richtete sie das Wort an den Mann, woraufhin sein Blick zu ihr schnellte.
Und Henriette stockte der Atem. Diese Gesichtszüge, dieses stechende Grün der Augen, die ihr entgegen blickten, sie würde es überall wieder erkennen.
“Geralt”, verließ es kaum hörbar ihre Lippen, während sie Mühe hatte, sich auf den Beinen zu halten. Der Mann, der all die Jahre ihr Herz beherrscht hatte, saß unmittelbar vor ihr.
Die Stirn ihres Gegenübers runzelte sich und er schien überlegen zu müssen, wer die Frau war, die vor ihm stand und gar nicht fassen konnte, ihm gegenüberzustehen. .
Erst, als sie sich neben ihm niederließ und er einen Blick auf das Medaillon erhaschen konnte, dass sie um den Hals trug, traf auch ihn die Erkenntnis.
Henriette. Henriette saß vor ihm und ihr Lächeln war noch genauso wunderschön, wie bei dem allerersten Herbstfest, auf dem sie sich kennengelernt hatte.
“Ich habe jedes Jahr gehofft, dich hier zu treffen”, hörte Henriette sich selbst sagen, während sich ihre Hand automatisch um das Medaillon an ihrem Hals schloss. Ein Lächeln schlich sich auf Geralts Lippen, während er sich komplett in ihre Richtung drehte.
“Jedes Jahr?”, wiederholte der Ältere ihre Worte und Henriette nickte.
“Dieses Herbstfest beinhaltet immer besondere Erinnerungen für mich. Unser erstes Kennenlernen. Der erste gemeinsame Kirschkuchen und unser erster Kuss. Jedes Jahr habe ich in der Nähe des Brunnens gesessen und gehofft, dich in der Menschenmenge ausfindig machen zu können. Auch wenn ich ein wirklich erfülltes Leben hatte, konnte ich dich nie vergessen”, gestand sie ihm und lächelte sachte.
“Ich wohne erst seit kurzem wieder in der Stadt. Du hättest mich gar nicht treffen können, aber ich bin froh .. dass es heute so ist. Was hälst du von einem Kaffee und einem schönen Stück Kirschkuchen? Um der alten Zeiten willen”, erwiderte Geralt und als er sich erhob, war Henriette überrascht, wie beweglich und agil der Ältere noch war. Im Gegensatz zu ihr.
“Gerne.” Mit einem weiteren Lächeln erhob sie sich und als sie ihre Hand in die ausgestreckte Hand Geralds legte, war sie sich sicher, dass dieses Herbstfest immer ihr liebstes bleiben würde.
Als das Herbstfest, an dem ihr Herz endlich wieder komplett war.
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